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Hans Knappertsbusch im Spiegel seiner Zeitgenossen

Anmerkung: Texte, die aus Interviews stammen, wurden, soweit vertretbar, nicht korrigiert, sondern spiegeln den Originalredefluss wieder. Wo es jedoch unumgänglich schien, wurden dezente, den Sinn unverändernd lassende Korrekturen vollzogen.



John Culshaw: Ehrfurcht für Strauss und Furtwängler, Liebe für "Kna"
Erwin Mittag: Knappertsbusch "zieht"
Otto Strasser: Im Orchestermusiker sah er den Mitarbeiter am gemeinsamen Werk
Jess Thomas:   Hans Knappertsbusch - mein Lieblingsdirigent
Birgit Nilsson Zwei Meter Genialität auf Socken
Horst Stein: Es war ein ästhetischer Genuss, ihm zuzuschauen
Paul Badura-Skoda: Eine ganz eigenwillige Persönlichkeit
Karl Schumann: Eine Erscheinung wie ein dritter Frauenturm
Hans Hotter: Am Dirigentenpult rannen ihm zuweilen die Tränen herunter
To Burg: Der General
Martin Taubmann: Ein preussischer Offizier
Birgit Nilsson: Mit einem Dirigenten kann man leben und sterben
Karl Schumann: Imperator, Spielmann und Grübler in einem
Marta Mödl: Einen richtigen, einen menschlichen Zugang zu ihm habe ich nicht gefunden
Wolfgang Wagner: Es gab niemand, der soviel einen Sänger half, wie er
Thomas Mann: T. M. über Knappertsbusch
Adolf Hitler:
Sich eine Opernaufführung Knappertsbuschs anzuhören, ist eine Strafe
Zubin Mehta:
Er könnte die dritte Symphonie von Brahms im halben Tempo spielen
Heinrich von Kralik:
Seiner sieghaften Persönlichkeit fliegen die Herzen zu
Sergiu Celibidache:
Was war Knappertsbusch für ein Skandal!
Christian Thielemann Hochkonzentriert nichts machen


Ehrfurcht für Strauss und Furtwängler, Liebe für den "Kna"


Der legendäre Decca Produzent John Culshaw
* beschrieb in seinem Buch "Ring Resounding" kurz und bündig die Reaktion des Orchesters [der Wiener Philharmoniker] gegenüber den Gastdirigenten, mit denen es von den 1930er bis 1960er Jahren zusammenarbeitete: "Ehrfurcht" für Richard Strauss und Wilhelm Furtwängler, "tiefer Respekt" für Erich Kleiber, Clemens Krauss und Bruno Walter, die ganze Skala der Emotionen von "Abneigung" bis "Bewunderung" für Heerscharen von ungenannten Gastdirigenten und "Liebe" für "Kna", wie Knappertsbusch liebevoll genannt wurde. Nach dem zweiten Weltkrieg, als Decca mit Knappertsbusch einen Exklusivvertrag abschloß, arbeitete Culshaw extensiv mit ihm zusammen, den er liebevoll als "unser lieber, zauberhafter, unverantwortlicher Freund Knappertsbusch" beschrieb.

(aus: Booklet zu "Knappertsbusch conducts Brahms and Wagner", S. 13., Decca 470 2554-2, 2002)

Der entsprechende Auszug aus John Culshaws Buch "Ring Resounding" im Original:

"...It is not often, that there is a true bond of affection between an orchestra and a conductor, and especially so in the case of an orchestra with so long and proud tradition of its own as the Vienna Philharmonic. The older members still talk with awe about Furtwängler and Richard Strauss. They speak with profound respect for the memories of Erich Kleiber and Clemens Krauss and Bruno Walter. For others, still living, they have mixed feelings ranging from loathing to admiration. But for Hans Knappertsbusch, they had love."


(from: "Ring Resounding", p. 225)


Knappertsbusch "zieht"


Erwin Mittag
*, Musikkritiker, schreibt über Knappertsbusch:


Aus der Dirigentenreihe der [Wiener] Philharmoniker ragt die Figur Hans Knappertsbuschs als die eines in jeder Hinsicht Prominenten heraus. "Den Unvergleichlichen", lautet die Widmung, mit welcher er im Jahre 1929 sein Bild versehen hat, um es den Philharmonikern zu verehren. Das Kompliment kann erwidert werden. Knappertsbusch ist als Dirigent auch unvergleichlich, in seiner Taktstocktechnik, in seiner präzisen Art und vor allem in seiner kerngesunden, urmusikalisehen Auffassung des Kunstwerks. Schalk hat ihn wiederholt als denjenigen unter der jüngeren Dirigentengeneration bezeichnet, der berufen sei, die richtige Bruckner-Tradition fortzusetzen. Die großen Werke der deutschen Klassik und Romantik, Beethoven, Brahms und vor allem Wagner, sind seine Domäne, aber nicht weniger Pfitzner und Richard Strauß.

Und daß er auch für das zeitgenössische Schaffen empfänglich ist, soweit es nicht der Tonalität den Kampf auf Leben und Tod erklärt, hat er oft genug bewiesen. Aber jenseits dieser hohen musikalischen Qualitäten verfügt er über eine unschätzbare, die jedem Orchester zum Vorteil gereicht: Knappertsbusch "zieht". Eine Applaussalve empfängt den blonden Hünen, wenn er dem Dirigentenpult zustrebt. Aber Knappertsbusch unterbricht sie und fängt womöglich noch vor dem Ende des Begrüßungsbeifalles zu musizieren an.

Bescheiden ehrlich und echt als Mensch ist er es auch als Musiker. Das sind Eigenschaften, welche die Philharmoniker zu würdigen wissen. [...] Bei den Salzburger Festspielen ist es schon fast ein Gewohnheitsrecht geworden, Knappertsbusch das Schlußkonzert anzuvertrauen. Das war 1948 und 1949 der Fall. Man merkt die Absicht, durch diese Einteilung ein Abflauen des Hochsaisonbesuches zu verhindern, aber niemand ist verstimmt, denn ein würdigerer Abschluß der Festspiele als ein von Knappertsbusch dirigiertes Philharmonisches Konzert läßt sich kaum denken.

(aus: "Aus der Geschichte der Wiener Philharmoniker", von Erwin Mittag, Verlag Gerlach und Wiedlich, Wien, 1950)



Im Orchestermusiker sah er den Mitarbeiter am gemeinsamen Werk


Otto Strasser*, Vorstand der Wiener Philharmoniker von 1958 bis 1967, erzählt über Knappertsbusch:

Knappertsbusch dirigierte mit kleinster Bewegung aus dem rechten Handgelenk äußerst präzise, die linke Hand gab zusätzliche Impulse, bei größeren Orchesterattacken und sorgfältig vorbereiteten Steigerungen konnten seine Dirigiergebärden ziemlich drastisch werden. Siegfr
ied Wagner berichtete, dass sein Vater mit den Augen dirigierte - das Gleiche konnte man von Knappertsbusch sagen. Er verschmähte es, ohne Partitur zu dirigieren, sah jedoch kaum das Notenbild an, und kontrollierte mit den Augen das Spiel des gesamten Orchesters. Einsätze für Solisten und solistische Gruppen gab er meist nur mit einem Blick, der über alles Musikalische hinaus eine menschliche Brücke zu ihm schuf - und ihm damit für uns doppelt sympathisch machte. Die Zeitmaße, die er anschlug, waren oft eigenwillig, doch überzeugte er zumeist damit, und so manche Episode erklang durch seine gemäßigten Tempi erst in ihrer vollen Schönheit. Bezüglich Richard Wagners Opern sagte er mir einmal wörtlich, dass er »die Zeitmaße, die er uns vordirigiere, Hans Richter verdanke«, dessen Bayreuther Mitarbeiter er in jungen Jahren gewesen war. Für uns war Knappertsbusch unbestrittene Autorität, der man sich gerne unterordnete. Schmisse auf der Bühne quittierte er gelegentlich mir recht derben Worten. Sie  klangen jedoch aus seinem Munde nie bösartig, er war eben ein Herr - und man nahm sie ihm auch nie übel. Im Orchestermusiker sah er den Mitarbeiter am gemeinsamen Werk, und so galt sein Dank nach einem gelungenen Konzert zu allererst uns, und dann erst dem applaudierenden Publikum.

(aus: "150 Jahre Wiener Philharmoniker",
Preiser Records Wien, 1992)



Hans Knappertsbusch - mein Lieblingsdirigent


In seinem Buch "Kein Schwert verhieß mir der Vater" schreibt der bekannte Wagner-Tenor der
sechziger und siebziger-Jahre, Jess Thomas* , sehr enthusiastisch über Knappertsbusch:

"Bestimmt werde ich keinen der großartigen Dirigenten, mit denen ich zusammengearbeitet habe, vor den Kopf stoßen, wenn ich Hans Knappertsbusch meinen Lieblingsdirigenten nenne.

Vielleicht war mein Bild von Knappertsbusch schon durch meinen Lehrer, Otto Schulmann, geformt. Vielleicht war ich auch durch die Tatsache beeinflußt, daß er zur alten Schule der Dingenten gehörte und tatsächlich der erste der wirklich großen Dirigenten war, mit denen ich zusammenarbeiten durfte.Vielleicht beeinflußte mich auch die Tatsache, daß ich Wagners Musik innig liebte und Knappertsbusch zweifellos ein Wagner-Experte war. Wer weiß? Aus unerfindlichen Gründen waren jedenfalls meine Aufführungen mit ihm die wichtigsten musikalischen Erfahrungen meines Bühnenlebens. Natürlich möchte ich sofort anfügen, daß dieser Fanatismus keinesfalls bedeutet, daß er besser war als viele der anderen Superstardirigenten. Es ist schlicht und einfach meine eigene Meinung: »KNA«, wie er allgemein genannt wurde, war für mich kein Dirigent mehr, er war ein Gott.

Die einzige Kritik, die ich je ihm gegenüber erhob, bestand in der Tatsache, daß er durch meinen ersten Bayreuther »Parsifal« meine Laufbahn bedrohte. Ich hätte Grund, auf ihn zornig zu sein: Nach diesem großartigen Erlebnis, praktisch zu Beginn meiner Laufbahn, gab es keine Chance für weitere Dirigenten, eine Steigerung zu bewirken. Tatsächlich erwies sich diese Befürchtung in gewisser Art und Weise als wahr. Ich hatte natürlich noch Hunderte von gloriosen Augenblicken mit wirklich großen Dirigenten, aber auch sie konnten den Feuersturm, den dieses Genie schon in so früher Zeit in meinem Kopf entfacht hatte, in keiner Art und Weise übertreffen.

Hans Knappertsbusch war schon im Alter von 29 Jahren eine Legende. Er wurde zum Generalmusikdirektor des Nationaltheaters von München ernannt, wo er genauso verehrt wurde wie in Bayreuth, Wien und den anderen wichtigen Opernhäusern der Welt. Viele seiner treuen Fans sprachen von ihm als Siegfried. Er war groß, kräftig und hatte fast magische Kräfte. Er vereinte all jene Eigenschaften, die das Publikum faszinieren und war auch ein Grandseigneur, elegant und seriös, konnte freilich hin und wieder vulgär und rauh sein. »KNA« war auch ein Frauenheld, der später eine gebildete, feine Dame, Marion von Leipzig, zur Lebensgefährtin wählte.

KNA verstand es, überall Spuren und Geschichten zu hinterlassen. Meine eigenen Erfahrungen bestehen aus dem Kern seines Witzes, seinen oft brutalen Antworten und Sprüchen, die man nicht unzensuriert wiedergeben kann. Eines meiner Lieblingserlebnisse stammt von einem Gastspiel in London. KNA war dafür bekannt, daß er lange Proben bei einem Gastspiel haßte, aber in London machte er auf Drängen der Musiker eine Ausnahme und probte widerwillig eine Brahms-Symphonie, in der häufig, aber eben nicht immer ein Strich gemacht wurde. Während des Konzerts spielte dann das halbe Orchester die gekürzte und die andere Hälfte die ungekürzte Version. Dies führte zu einem Klangchaos, das unüberhörbar war und aus dem es kein Entkommen gab. KNA unterbrach das Orchester, nannte laut eine Stelle, an der alle neu beginnen konnten und schimpfte: »Das habt ihr nun von eurer Scheißprobe!« ... "


(aus:
Jess Thomas: "Kein Schwert verhieß mir der Vater", S. 24-25, Paul Neff Verlag, Wien, 1986)


Zwei Meter Genialität auf Socken


Birgit Nilsson
*, weltbekannte Wagnersängerin, die zu Knappertsbusch wahrlich kein ungetrübtes Verhältnis hatte (siehe dazu weiter unten) , schreibt dessen ungeachtet in ihrer Biografie "La Nilsson"  Folgendes über ihn:

"Genau ein Jahr nach dem Ring von 1949 kam der große, unübertroffene Wagner-Dirigent Hans Knappertsbusch nach Stockholm. [...] Ich glaube nicht, dass Knappertsbusch irgendeine Probe mit dem Orchester abhielt. Er war bekannt dafür, dass er Proben nicht liebte, aber wenn er sich am Pult erhob - zwei Meter Genialität auf Socken -, dann waren die Musiker beseligt. Ein Orchestermitglied sagte nach einer Vorstellung der Götterdämmerung: »Da hat man nun jahrelang da gesessen, mit diesen unmöglichen Notenfiguren gekämpft und Wagner verflucht, der nichts für Instrumente Spielbares schreiben konnte. Am Ende hat man resigniert und einfach nur das Wichtigste gespielt. Und nun kommt dieser Hexenmeister daher und verfährt einfach nur lockerer mit der Atmung. Nichts Besonderes - und plötzlich kann man doch jeden Ton der Stimme spielen!«

Zehn Jahre später, nach einer Premiere der Götterdämmerung mit Karajan in Wien, traf ich den berühmten Konzertmeister der Wiener Philharmoniker, Willi Boskovsky. Er sagte mit Bestimmtheit, dass es unmöglich sei, alle Noten zu spielen, die Wagner vorgeschrieben habe. Im Stillen fragte ich mich, ob der Hexenmeister Knappertsbusch nicht auch in Wien den Gordischen Knoten hätte lösen können.

Es war ein kluger Schachzug von Joel Berglund
*, Knappertsbusch nach Stockholm zu holen, denn er hob die »Ring«-Vorstellungen auf ein internationales Niveau. Das Publikum antwortete mit einem nie dagewesenen Wagner-Enthusiasmus, und das Orchester huldigte dem Meister, der eine derartige Meatmorphose zustande brachte, mit Pauken und Fanfaren."

(aus: Birgit Nilsson,
"La Nilsson - Mein Leben für die Oper", S. 106-107, Fischer Taschenbuch-Verlag)



Es war ein ästhetischer Genuss, ihm zuzuschauen


Horst Stein
*, ebenfalls wie Knappertsbusch in Elberfeld geboren und ebenso wie er ein renommierter Wagnerdirigent, erinnert sich in einem Fernsehinterview 1975 an die gemeinsame Bayreuther Zeit, als er unter Knappertsbusch assistierte:

"Was mich damals fasziniert hat, war, im Orchesterraum zu sitzen und zu sehen, wie jemand mit den kleinsten Bewegungen trotz längster Arme und einem langen Taktstock - mit den kleinsten Bewegungen und einem unerhört intensiven Auge - Musik machen kann. Ich glaube, er hat nie eine Bewegung gemacht, die nicht aus der Musik und für die Musik gedacht war; gerade in Bayreuth, wo der Dirigent ja nicht vom Publikum gesehen wird, wo der Dirigent nicht damit rechnen kann, dass eine Bewegung von der Dame links in der zweiten Reihe besonders beachtet wird, und er vielleicht der Verlockung nachgibt, diese Bewegung besonders schön zu zeichnen. Gerade in Bayreuth, wo man nur für die Musik, nur für den Musiker, nur für den Augenblick dirigiert, zeigt es sich doch, ob einer eine Show abliefert, um es so zu sagen, oder ob er sich der Partitur verpflichtet fühlt.

Und wir hatten ja hier die Gelegenheit, 1952 nicht nur [in] Parsifal, sondern auch in den Meistersingern, also in einem völlig entgegengesetzt gearteten und konzipierten Stück, den »Kna« zu bewundern, und ich muss sagen - es sei mir verziehen, dass ich immer wieder von »Kna« rede, aber Knappertsbusch ist ein ungewöhnlicher Name bei einem Musiker, wir sagen alle »Kna« - und es war interessant, wie, wenn er nach einer Entwicklung aufstand - und das war wenige Male am Abend - dieser Höhepunkt, der dort angepeilt wurde, wirklich ein Höhepunkt war. Und er hat das nicht zu oft gemacht und wusste genau, wo er es zu machen hatte, und es war ein ästhetischer Genuss, ihm zuzuschauen, auch wenn man sich darüber im Klaren sein mußte, dass man mit seinen kurzen Armen und seinen ganz anderen anatomischen Voraussetzungen bei gleichen Idealen in der Musik und auch annähernd gleichen Vorstellungen, das niemals kopieren könnte."


Eine ganz eigenwillige Persönlichkeit

Paul Badura-Skoda*, der bekannte österreichische Pianist, erinnert sich:

"Ganz besonders unter seine Fittiche genommen hat mich auch der unvergessliche Hans Knappertsbusch. Er war einer der allergrößten Dirigenten, die ich persönlich kennengelernt habe, eine ganz eigenwillige Persönlichkeit. Er war der einzige, der es fertiggebracht hat, während der ganzen Nazizeit sich in keinster Weise zu kompromittieren, weil er ein so absolut gerader Charakter war, dass man ihm nicht beikommen konnte. Ihm sollte zum Beispiel der Titel "preußischer Staatsrat" verliehen werden, an sich eine völlig harmlose Sache, aber trotzdem hat er den Titel nicht entgegengenommen. Als er davon hörte, war er einfach für zwei Wochen plötzlich aus seinem Haus verschwunden und völlig unauffindbar, daraufhin hat man darauf vergessen. Später wurde er durch anonyme Anzeigen und Denunziationen als verdächtiger Nazi eingereiht und durfte ein halbes Jahr nicht dirigieren, obwohl gegen ihn nicht das geringste vorlag. Knappertsbusch hat darauf hin so eine Wut gehabt, dass er dann, als er Einladungen bekam, die größten amerikanischen Orchester zu dirigieren, nicht nach Amerika gehen wollte, weil sie ihn so beleidigt hatten.

E
ine andere vielleicht etwas zu deftige typische Knappertsbusch-Geschichte ist, dass er, wie einmal eine amerikanische Sängerin mit einem sehr starken amerikanischen Akzent an der Münchner Oper gesungen hat, er so leise vor sich hin sagte: »Da kann man nur dem Kolumbus aufs Grab scheissen!«
Aber wir haben traumhaft schöne Konzerte gemacht, Beethoven und Mozart mit dem Brüsseler Nationalorchester zum Beispiel. Vor unseren Konzerten mit den Wiener Philharmonikern ist er leider plötzlich gestorben, das war ein furchtbarer Verlust."


Eine Erscheinung wie ein dritter Frauenturm

Karl Schumann*, der bekannte Musikkritiker der Süddeutschen Zeitung, in einem Fernsehinterview von 1988 über Knappertsbusch:

"Ohne Hans Knappertsbusch säße ich bestimmt nicht da; er war, darf ich sagen, wohl mein größter künstlerischer Eindruck. Und unter dem Eindruck des »Kna« hatte ich mich dann eigentlich entschlossen, dieses doch sehr fragwürdige Metier zu wählen. Ich weiss nicht mehr, wann ich zum ersten Mal über den Kna geschrieben habe, es ist sicher sehr enthusiastisch gewesen. Ich erinnere mich, dass ich als ganz junger Dachs angefangen habe und auch damals dem Kna eine Neujahrskarte, einen Neujahrsgruß schickte, worauf er freundlicherweise mir sein Bild schickte, mit der Widmung: »Meinem verehrten Gönner«. Das war der Umgangston, den der Kna der Presse, den Schreibknechten gegenüber, anschlug.

Dritter Frauenturm

Es gibt ja auch diese bewährte Kna-Anekdote, dass er nach einem Verriss gesagt haben soll: »Tja, was kümmert es die Kathedrale, wenn ein Hund daran das Bein hebt.« Er hat die Kritiken wahrscheinlich gelesen und als weitere menschliche Irrtümer zur Kenntnis genommen und sich wahrscheinlich sogar darüber amüsiert. Jedenfalls war er unberührbar durch irgendwelche Meinungsäußerungen anderer, er ging immer konsequent seinen Weg und das war es wahrscheinlich auch, was die Faszination auf das Publikum bewirkte, diese Konsequenz seiner Persönlichkeit und auch die Unnahbarkeit.

Er war eine imperatorische Persönlichkeit, die sich nie anbiederte, und gerade deshalb hat er wohl in München jahrzehntelang die Monarchie ersetzt und ist von alt und jung verehrt worden. Denn es gab kaum mehr einen Generalmusikdirektor, den jeder gekannt hat, auch der, der nie das Risiko eines Wagnerabends auf sich genommen hatte; der Kna mit seinem Spazierstock, mit seinem breiten Kalabreser : Das war eine Erscheinung wie ein dritter Frauenturm."

Am Dirigentenpult rannen ihm zuweilen die Tränen herunter

Hans Hotter*, Bassbariton und renomierter Wagnerinterpret, hat mit Knappertsbusch oft zusammengearbeitet. In einem Interview berichtet er:

Hans Knappertsbusch war ein Heros. Knappertsbusch war ein Gigant, ein Gigant und ein Könner. Und er war - wie ein großer Olympier - er war zart. Ich habe Knappertsbusch als einen der wenigen auf seinem Dirigentenplatz gesehen, wenn ihm die Tränen herunter liefen.

Er war im normalen Umgang barsch, beinahe grob manchmal, galt als gelegentlich unverträglich, sehr eigen. Aber er hatte dieses unglaubliche Verständnis für das, was der Sänger an Unterstützung braucht, und konnte ihm so helfen, sein Potenzial zu entfalten....

Gut, man hat immer gesagt, der Knappertsbusch sei zu langsam. Er war gar nicht so langsam: Wenn man die Zeiten, die Dirigierzeiten, die doch immer in Bayreuth verglichen werden, heranzieht, ist er nicht - beileibe nicht - einer der langsamsten Dirigenten in Bayreuth gewesen.

Aber er hatte eben diese Gabe, wenn so eine Stimmung erzeugt wurde, d. h., der Zauber einer ganz besonderen Stimmung kam auf uns nieder, da war er der "Walter", der hatte einen Zauberstab in der Hand und hat das vielleicht manchmal ein bisschen ausgeweitet, aber er gab uns Sängern halt ein unerhörtes Gefühl der Sicherheit, weil er eben so ein König, so ein Herr war; er stand darüber. Aber man kann den König und den Heros, der er war, nicht mit dem z. B. von Furtwängler oder von Clemens Krauss, Klemperer, Kleiber, Böhm, Karajan, um ein paar zu nennen, vergleichen. Nicht umsonst ist ein Dirigent eben eine Weltberühmtheit: Es hat schon seinen Grund.


Der General

To Burg, Musikkritiker, über Knappertsbusch anlässlich seines 75. Geburtstages 1963:


Als wir damals Musik studierten, in München, gab es kaum einen Lehrer oder Podiumstar, den wir nicht verrissen. Wir waren junge Genies und wußten es besser. Diesem einen aber nur ein Haar zu krümmen — das wäre gleichgesetzt worden mit jäh ausgebrochenem Irrsinn. Er hatte uns verrückt gemacht, alle. Wir waren so fasziniert von ihm, daß Dirigieren nur noch bedeutete: so wie er zu dirigieren. Er — Knappertsbusch, der „Kna", der General.

Woran lag das, woran liegt das, diese Faszination, die er ausübt wie keiner — auch heute noch? Bestimmt nicht daran, daß er ein großer, vielschichtiger, dabei höchst origineller und eigenwilliger Musiker ist, dessen Herrschaftsbereich von der „Götterdämmerung" — seiner Götterdämmerung — über Mozart, Strauss und Beethoven, Bruckner und Brahms bis zu den „Badner Madln" geht. Gewiß, daß er so virtuos und souverän dirigiert — mit seinem Karat ein Schaudirigent par excellence! — das ist immer wieder umwerfend. [...]

Dieser Mann nun ist ein Medium für Musik bis in die Spitze des kleinen Fingers. Was aber an Musik ihn durchdringt, setzt sich sofort, automatisch, traumwandlerisch in die dirigentische Geste um — mit einer Brillanz ohnegleichen, mit der Ausdrucks- und Formvollendung des Tänzers. Sein Dirigieren ist absolute Souveränität, der Partitur gegenüber wie dem Orchester, Er führt in einem schöpferischen Sinn improvisatorisch, er kann es sich leisten, da er den Sänger und Musiker stets sinnfällig und unmittelbar packt und ihm im Augenblick des Befehls die höchste Leistung abzwingt. Daher auch probt er nicht gern, der »Kna« — auch seine Probe ist bereits eine intensive Aufführung, die er sich natürlich lieber für den Abend spart.

[...] Er hat auch sein Gralswunder erlebt — seinen ersten Bayreuther „Parsifal", und es dauerte Minuten, bis er die innere Bewegung überwunden hatte, die ihn zu Beginn umfing. Man hat nur noch selten Gelegenheit, ihn zu erleben. Seine Menschenscheu — so oft als Menschenverächterei mißverstanden — hat ihn fast unzugänglich gemacht. Er ist eine fast mythische Gestalt geworden. [...]

( Aus: Phonoforum 3/1963 )

Ein preussischer Offizier

Martin Taubmann*, Impresario:

"In seiner ganzen Art hat er mich damals erinnert an einen hochrangigen preussischen Offizier."

(aus einem Fernseh-Interview von 1975)

Mit einem Dirigenten kann man leben und sterben

Man konnte allerdings leider auch sehr schlechte Erfahrungen mit Knappertsbusch machen. Es war während einer Salome-Vorstellung und der Kna hatte seinen Rüpel-Tag. Birgit Nilsson*, eine der namhaftesten Wagnerinterpretinnen der fünfziger und sechziger Jahre, war am Anfang ihrer Karriere noch "Knappertsbusch-unerfahren" und lief ihm ins offene Messer:

"Einmal in München sollte ich »Salome« mir ihm singen. Er hat »Salome« nicht wirklich geliebt und er war in schlechter Laune. Jochanaan  - ich erinnere mich nicht mehr, wer es war - es war nicht Metternich, es war ein anderer, ein Gast, war sehr unsicher und machte einen Fehler nach dem anderen. Da hat er ihn laut angebrüllt und ich dachte: »Um Gottes Willen, wenn das mir passieren wird, dann sterbe ich«. Ich habe den Gedanken nicht fertig gedacht, da habe ich zu früh eingesetzt. »Ah, du wolltest mich nicht deinen Mund küssen lassen...«, ein Viertel zu früh. Da ist er wieder aufgestanden und hat ein Schimpfwort, welches mit »A« anfängt und mir »Loch« endet, mir zugebrüllt. Da haben meine Tränen gespritzt, ich habe geweint; die ganze Schlussszene, die ungefähr 18 Minuten dauert, habe ich nur geweint und gesungen. Er, der Knappertsbusch, hat nicht einmal aufgeschaut, nicht einmal, sondern er hat nur so gemacht (imitiert das Dirigieren). Er sollte mir wenigstens helfen, nicht wahr. Dieses Anbrüllen vergesse ich nie in meinem ganzen Leben. Sowas macht heute kein Dirigent mehr. Sie trauen sich einfach nicht, die Leute würden weggehen, glaube ich. Früher hat man so was machen können, nicht wahr. Mit einem Dirigenten kann man leben und sterben...."

(aus einem Fernseh-Interview von 1997: Martha Mödl, Birgit Nilsson und Astrid Varnay im Gespräch mit Klaus Schultz, Intendant des Theaters am Gärtnerplatz. Grammatik und Satzbau des Interviewtextes wurden behutsam korrigiert)

Imperator, Spielmann und Grübler in einem

Aus dem Nachruf von Karl Schumann* 1965:

Der verzweifelte Wunsch, noch einmal in Bayreuth den „Parsifal" des heißgeliebten Richard Wagner zu dirigieren, hatte Hans Knappertsbusch dreizehn Monate des Krankenlagers durchstehen lassen, bis der Tod am 25. Oktober den völlig Entkräfteten heimholte. Die Fahne der Musik steht auf Halbmast, zumal in München, wo der „bayerische Generalmusikdirektor auf Lebenszeit" seit 1922 die oberste Dirigentenautorität war.

Hans Knappertsbusch [...] ragte wie ein Recke in unser, ihm fremdes Jahrhundert: ein Pultromantiker, ein Musiker der genialen Improvisation, der treue Kurwenal Wagners, Beethovens, Bruckners und Brahms'. Opernabende beherrschte er durch die Magie seiner blaublitzenden Augen: ein Generalissimus des Musiktheaters, der sich statt auf Probenarbeit auf die unerhörte Plastik seiner Auftakte und den gebieterischen Elan seiner knappen Bewegungen verließ. München, Wien und Bayreuth bevorzugte der zur Legende gewordene »Kna«. Sein Element war der breite, detaillierte Fluß, der sich zu beklemmenden Höhepunkten steigerte. Die Schallplatte vermag nur einen Widerhall seines Musizierens zu geben; den Kna mußte man sehen. Er war Imperator, Spielmann und Grübler in einem. Der „Parsifal", sein Lieblingswerk, gewann den Kritikerpreis. Seine majestätische Bruckner-Deutung ist festgehalten; auch seine altväterlich-behutsamen Walzer stehen im Repertoire. Sie zeugen für den Meister des genialen nachschöpferischen Augenblicks.

( Aus: Phonoforum 11/1965 )

Einen richtigen, einen menschlichen Zugang zu ihm habe ich nicht gefunden

Marta Mödl* in einem Interview 1988:

"Meine erste Begegnung mit Knappertsbusch war in Bayreuth 1951, es war die Wiedereröffnung der Bayreuther Festspiele nach dem Kriege. Ich hab mit ihm - ich durfte mit ihm, möchte ich besser sagen - Parsifal machen. Es war auch mein erstes Engagement in Bayreuth, natürlich, nach der Wiedereröffnung und ich war glücklich, das können Sie sich denken, ich war selig.

Knappertsbusch machte ja nach wie vor keine Proben, das wollte er nicht. Ich glaube, eine Einzelprobe mit ihm hab ich überhaupt nicht gehabt, sondern Ensemble-Proben und Proben mit Orchester. [...] Knappertsbusch saß, ich sah von ihm nur die Augen, die Stirne, und wenn er einen Einsatz gab, sah man so ein »Stechen« in die Luft. [...] Na, ich habe mich also sehr bald zurechtgefunden, habe mich auch damit zurechtgefunden, dass ich von ihm kaum was sah. [...].

Ich habe mich sehr gut mit ihm vertragen, aber wie gesagt, ich glaube, das sagen auch meine Kollegen, einen richtigen Zugang, einen menschlichen Zugang zu ihm, habe ich nicht gefunden. Der war nicht da. Warum, das weiss man nicht. Knappertsbusch war ja ein Riese, nicht nur an Grösse, sondern auch als Dirigentenbedeutung, und man hatte schon einen gewissen Abstand von ihm, man hatte Respekt und so, aber wie gesagt, einen Zugang zu ihm gab's nicht. Ich musste alles eben vom Musikalischen und von dem Abend her nehmen, an den man sang und mit ihm zusammen etwas gestaltete."

Es gab niemand, der soviel einen Sänger half, wie er

Wolfgang Wagner*, in einem Interview 1988:

"Die rauhe Schale, die er hatte, ich glaube, er ist wohl dadurch so geworden, dass er sein einziges Kind, eine Tochter, verloren hat. Er hatte ja in seiner Wohnung mit den Sachen, mit den Hinterlassenschaften, insbesondere mit den Bildern von ihr fast schon einen Kult getrieben. Ich glaube, dieser schmerzliche Verlust, der war das, was ihm allen anderen gegenüber so rauh erschienen liess. Das ist also eine rein menschliche Motivation, soweit ich sie beurteilen kann.

Andererseits, wenn er am Pult stand, gab es niemand, der soviel einen Sänger half, wie er. Das war die unerhörte Partiturkenntnis, zum Unterschied von anderen Dirigenten, die irgendjemanden auf der Bühne nicht mögen - es gibt ja Sympathie und Antipathie - die sich dann so negativ den Leuten gegenüber verhalten, dass die wirklich nicht [weiter]wissen und keinerlei Hilfe haben, vom Dirigenten, das habe ich also auch erlebt. Da muss ich persönlich sagen, selbst in den schwierigsten Situationen - er hat vielleicht als Kompensation irgendwie mal kurz ein sehr unfreundliches Wort hinaufgeworfen - aber von der dirigentischen Seite her war er immer hundertprozentig für die Leute da."

Thomas Mann* über Knappertsbusch

Die Herren Mann und Knappertsbusch hatten von Anfang an kein sonderlich gutes Verhältnis zueinander. Mann schätzte die Dirigate Knappertsbuschs im Allgemeinen nicht besonders (s. u.), und dies nicht erst seit 1933, als ihn Knappertsbusch öffentlich wegen seiner Äußerungen über Richard Wagner heftig gegriff.


Brief an Josef Ponten, 16.8.1926.
Kommentar zu einer Parsifal-Aufführung unter Knappertsbusch:

 "Ihre rheinische Unschuld wird unter den Akzenten der gestrigen Geschlechtsorgie bis zum Ende schwer gelitten haben. Sie bleibt aber ein schrecklich grossartiges Greisenwerk und als letzter Ausdruck einer romantisch-extremen Seele verehrungswürdig. Gewisse positive Momente, wie die Charfreitagsstimmung [...] oder das Geständnis der Kundry: "Und lachte", endlich die mächtige letzte Verwandlungsmusik, Weg zum Heiligtum, werden Sie doch wohl ergriffen haben, besonders da Knappertsbusch, den ich sonst nicht sehr bewundere, mit großer Kraft auf alles hinwies. [...]"

Anmerkung: Die Aufführung war am Tag vorher in München, Prinzregententheater, mit Emil Schipper (Amfortas), Julius Gleß (Titurel), Paul Bender (Gurnemanz), Hendrik Appels (Parsifal), Hermann Wiedemann (Klingsor) und Sofie Wolf  (Kundry)

(aus: Hans Wysling (Hsrg.):  Dichter oder Schriftsteller? Der Briefwechsel zwischen Thomas Mann und Josef Ponten 1919–1930. Francke, Bern 1988 )



Brief an Agnes E. Mayer vom 27. 6. 1947, geschrieben im Grand Hotel Surselva, Flims-Waldhaus (Graubünden, Schweiz), während eines Europabesuches:

[...] Sie [die Deutschen] sind sämtlich 3/4 meschugge dort drüben. Wen kann es wundern? In Zürich hörten wir die "Götterdämmerung" unter Knappertsbusch, dessen Gebahren völlig exzentrisch war. Den verrückten Deutschen den Untergang dirigieren zu sehen, war ein grundunheimlicher Eindruck. [...]

Anmerkung: Die Aufführung war am 14. 6. 1947 in Zürich, Stadttheater,  mit Kisten Flagstad (Brünhilde), Max Lorenz (Siegfried) und Ludwig Weber (Hagen).

(aus: Vaget (Hrsg.) "Thomas Mann, Agnes E. Meyer, Briefwechsel 1937-1955", Fischer, Frankfurt, 1992 )



Tagebucheintrag vom 2. 7. 1947:


[...]  "Götterdämmerung" unter dem verrückten Knappertsbusch. [...]

( aus: "Im Schatten Wagners. Thomas Mann über Wagner"  Fischer Verlag, Frankfurt 2005  )


Sich eine Opernaufführung Knappertsbuschs anzuhören, ist eine Strafe

Der Kunstgeschmack des "Führers des Dritten Reiches" und der von Knappertsbusch hatten offensichtlich wenig gemein. So kommentierte am 30.4.1942 Adolf Hitler* Knappertsbuschs Kunstausübung folgendermaßen :

[...] habe es sich dann herausgestellt, daß [in Wien 1938] ein ungeheurer Mangel an wirklich befähigten Dirigenten bestehe, so daß man Knappertsbusch nach Wien habe holen müssen, der mit seinen blonden Haaren und seinen blauen Augen zwar ein Germane sei, aber nur mit Temperament und ohne jedes musikalische Gehör Musik machen zu können glaube. Sich eine Opernaufführung Knappertsbuschs anzuhören, sei eine Strafe. [...]


( aus: Henry Picker: Hitlers Tischgespräche im Führerhauptquartier, Propyläen,
München, 2003, S. 356 )


Er könnte die dritte Symphonie von Brahms im halben Tempo spielen

Der Dirigent Zubin Mehta*, der Knappertsbusch in seiner Studentenzeit in Wien beobachteten konnte, erwähnte dessen Fähigkeit, die Musik, die er dirigierte, mit großer Spannung zu versehen:

"Er könnte die dritte Symphonie von Brahms im halben Tempo spielen, und es würde den Zuhörer immer noch nicht langweilen, weil es musikalisch gesehen Sinn machen würde."

(aus: "A-Z of Conductors" von David Patmore, Naxos, 2007, S. 529)



Seiner sieghaften Persönlichkeit fliegen die Herzen zu

Der Musikschriftsteller Heinrich von Kralik* schreibt 1938 über Knappertsbusch als Dirigent der Wiener Philharmoniker:

In jüngster Zeit gewinnt Hans Knappertsbusch zusehends an Bedeutung für das philharmonische Abonnement. Seiner sieghaften Persönlichkeit fliegen die Herzen zu, und wenn er ans Pult tritt, sehnig, elastisch, wie eine Feder gespannt, ein aufrechter Künstler und ein aufrechter Mann, dann weiß sich auch der Hörer in seinem Innerern spontan gespannt und gestrafft. Seine moderne, virtuose, höchstentwickelte Dirigiertechnik verbindet sich mit ursprünglichem, triebhaftem Musikantentum. Er ist im gleichen Sinne Musikant, wie es die Philharmoniker sind, hingegeben dem Metier und seinen autonomen Impulsen. Darum auch mag die Harmonie so ungetrübt sein, und diese Harmonie hat auch zur Folge, daß das Orchester unter der Leitung von Hans Knappertsbusch jedesmal besonders klangschön und klangschwelgerisch spielt.

(aus: "Die Wiener Philharmoniker" von Heinrich von Kralik, Wilhelm Frick Verlag, Wien 1938 , S. 97)


Was war Knappertsbusch für ein Skandal!

In einem Interview mit Klaus Lang äußert sich der Dirigent Sergiu Celibidache* über einige seiner Dirigentenkollegen recht kritisch:

Was war Knappertsbusch für ein Skandal! Man hat von ihm gesagt, er nehme breite Tempi. Es waren nicht breite Tempi, es war Unmusik bis dorthinaus. Er hatte aber auch Momente von Musik. Das stimmt. Nehmen Sie doch eine Haydn Sinfonie. Es ist ein Skandal. Er hat überhaupt keine Empfindung gehabt für das Verhältnis: vertikaler Druck - horizontaler Fluss. Das ist schließlich das, was Musik ausmacht. Furtwängler hatte eine enorme Persönlichkeit, aber was hatte er uns für eine Ecke Musik hinterlassen? Nicht ein Takt ist zu übernehmen.

Sergiu Celibidache in einem Interview mit Klaus Lang, 29.11.1974

(aus: "Celibidache und Furtwängler" von Klaus Lang, Wißner-Verlag, Augsburg, 2010, S. 378)



Hochkonzentriert nichts machen

Christian Thielemann* , zwar altersbedingt nicht mehr "Zeitgenosse" von Knappertsbusch, äußert sich posthum folgendermaßen über ihn:

"Als Dirigent zu erreichen, was Knappertsbusch konnte, hochkonzentriert nichts zu machen, oder nur ganz wenig und ansonsten auf die eigene Persönlichkeit zu vertrauen, auf Suggestion, Erfahrung, Herzensbildung, Intuition - das ist für mich ein großes Ziel."

(aus: Booklet zu "Thielemann: My Wagner Album",
S. 11 Deutsche Grammophone, 479 1275 , 2013)





Fortsetzung folgt....