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Anekdoten und Erlebnisse um den "Kna"


Es gibt kaum einen Dirigenten, um den sich mehr Anekdoten und Bonmots ranken, als um den "Kna".
Als bärbeißig wird er geschildert, schlagfertig und kurz angebunden, geradlinig mit trockenem Witz. Verletzend grob, aber auch sensibel und mitfühlend konnte er sein - die sprichwörtliche Verkörperung der rauen Schale um den weichen Kern.

Legendär wurden seine Reaktionen auf Vorgänge im Dritten Reich:
So soll er in einem Zornesausbruch einen Aschenbecher nach dem Lautsprecher geworfen haben, aus dem die Rundfunkübertragung einer "Führeransprache" erschallte, weswegen die gerade abgehaltene "Meistersinger"-Probe unterbrochen werden musste.  - "Diese Nazihippe singt bei mir nicht" soll er gesagt haben, als er ersucht wurde, eine Sängerin, welche bekannterweise dem Nationalsozalismus zugetan war, zu engagieren....



Der fehlende Rhythmus

In den frühen 50er Jahren sang eine junge Debütantin in Bayreuth eines der Blumenmädchen im Parsifal. Bei den rhythmisch heiklen Einwürfen kam sie – schon in den ersten Proben – immer wieder aus dem Takt und Kna wurde ärgerlich. Die Situation drohte zu explodieren, da versuchte Wilhelm Pitz, der sehr erfahrene Chorleiter, zu vermitteln. Es kam zu einen Gespräch im kleinen Kreis. Pitz gab zu bedenken, dass diese Partien sehr schwer seien, die junge Sängerin – auch in Folge der Kriegsjahre und der Flucht keine große Routine hätte… und so weiter und so fort. Kna hörte sich ruhig die Verteidigungsrede von Pitz an, dann aber sagte dieser alte Raubautz für ihn sehr Typisches: «Ja, ja, der liebe Gott hat Dir eine wirklich schöne Stimme gegeben, ein hübsches Gesicht, einen schönen Busen und einen schönen Arsch dazu; aber Rhythmus hat er Dir leider nicht geschenkt.» Die Sängerin durfte dann ihren Part singen, Pitz half wo er konnte, und die Kuh war – dank des Verhandlungsgeschicks von Pitz – vom Eis.

(von
Gertrud Bina (1922-2012), Dozentin am Richard Strauss-Konservatorium; weitergegeben von Joseph Kanz)


"Herr Foldes, haben Sie Rhythmus?"

Der Pianist Andor Foldes hatte folgendes Erlebnis mit Knappertsbusch, wo es wiederum um den Rhythmus ging:

"Ich traf den großen alten legendären deutschen Dirigenten Hans Knappertsbusch zum ersten Mal in seinem Künstlerzimmer in Hamburg, einige Minuten vor unserer ersten Probe. Ich war von Hamburgs Rundfunkorchester als Solist engagiert, um Beethovens Drittes Klavierkonzert zu spielen. Ohne meine Begrüßung zu erwidern, näherte sich mir der alte Riese und schüttelte mich kräftig an den Schultern, während er mir mit Furcht erregender Strenge in die Augen blickte und in eindeutig unfreundlichen Ton fragte: "Herr Foldes, haben Sie Rhythmus?"

Ich hatte seit Jahren viele Geschichten über ihn gehört, über seine Unerbittlichkeit, wenn es darum ging, in seiner musikalischen Auffassung auch nur den geringsten Kompromiß zu machen. Ich war deswegen schon ziemlich eingeschüchtert, bevor ich sein Zimmer betrat. Aber diese Art von Begrüßung machte mich lachen. "Herr Knappertsbusch", sagte ich, "ich kann Ihre Frage mit dem besten Willen nicht beantworten. Wenn wir anfangen zu probieren, werden Sie selber feststellen können, ob ich Rhythmus habe oder nicht." [...] Die Probe fing an und wir spielten den ersten Satz des Dritten Klavierkonzertes, ohne das wir ein einziges Mal unterbrochen hätten, um etwas zu wiederholen.. Am Ende dieses ersten Satzes wandte er sich zu mir und sagte im grimmigen Ton: "Aber Herr Foldes, Sie sind ja ein ganz famoser Musiker..." Das ganze Orchester lachte. Es war etwas sehr Ungewöhnliches, so etwas hätten sie nie vorher von ihm gehört, sagte mir später ein Musiker aus dem Orchester."

(aus dem Booklet Golden Melodram 4.0070, S. 9)


"Sonst stehlen ihn des Nachts die Bauern"

Was Kna vom Regietheater hielt zeigt folgende Anekdote:

Der angeblich verstaubte Weber'sche Freischütz musste modernisiert werden, das war die Meinung der jungen Regisseure schon in den 60er Jahren. So musste zunächst die Dialoge dran glauben: Als Hans Knappertsbusch erleben musste, dass ein für Dirigenten sehr wichtiger Satz des Dialogs (…sonst stehlen ihn des Nachts die Bauern…) gestrichen wurde – und alle Proteste erfolglos waren – rächte er sich dann in der Premiere bei der Textstelle Ottokars "… werft das Scheusal in die Wolfsschlucht…" Laut vernehmlich rief er in das Publikum: "Sonst stehlen ihn des Nachts die Bauern". Subtile Rache eines großen Dirigenten an dem damals schon beginnenden «Regietheater».

(von Horst Stein, weitergegeben von Joseph Kanz )


Kna, der "große Wagnerverehrer"

Bekanntlich war der "Kna" ein großer Wagner-Verehrer - in künstlerischer Hinsicht. Dass diese Verehrung nicht die gesamte Person Wagners umfasste, läßt die folgende Anekdote vermuten:

Der verstorbene Bayreuther Oberbürgermeister Hans Walter Wild* wusste zu erzählen, dass Knappertsbusch in feuchtfröhlicher Runde in der "Eule" (der Künstler-Stammkneipe in Bayreuth, Anm. d. Verf.) ausgerufen habe: Seitdem er die beiden Wagner-Enkel kennen gelernt habe, wisse er erst, was für ein Arschloch Richard Wagner gewesen sein müsse...

(aus Ernst Gebauer, Bernd Mayer: "Sternstunden von Neu-Bayreuth", Druckhaus Bayreuth, 2007)

Der grimmige Scherz

Bei einer Aufführung der Neunten Symphonie leistete sich Kna einen grimmigen "Scherz": Als der von Karajan favorisierte Otto Edelmann einsetzte: "O Freunde, nicht diese Töne", unterbrach ihn Knappertsbusch und sagte trocken: "Also, der heißt bloß Edelmann!" Die Alt-Solistin Rosette Anday legte dem jungen Sänger tröstend die Hand auf die Schulter .

(aus: Zeitschrift der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien, Nov. 2008: „Oder glauben Sie das nicht?“ Anekdotisches aus der Geschichte des Singvereins)


Die notorische Probenunlust

Eines der Markenzeichen von Hans Knappertsbusch war seine notorische Probenunlust, von weniger gutmütigen Zungen auch als Probenfaulheit bezeichnet. Seine typische Ansprache an das Orchester: "Meine Herren, Sie kennen das Stück, ich kenne das Stück, dann auf Wiedersehen heute Abend" wurde von Sängern, Orchestermusikern und den Mitgliedern der schreibenden Zunft in diversen Variationen zitiert und als Bonmot verbreitet. Eine Abart dieses Ausspruches hat der Autor Heiko Bockstiegel sogar als Ttitel für sein Buch von 1996 über deutschsprachige Dirigenten gewählt: "Meine Herren, kennen Sie das Stück?".

Nun wird man berücksichtigen müssen, das Knappertsbusch nahezu ausschließlich mit namhaften Orchestern, viele davon von Weltrang, musizierte, bei denen er solide Repertoire-Kenntnisse und fundiertes handwerkliches Können voraussetzen konnte, sodass die Probenarbeit in vielen Fällen kaum notwendig war und die dadurch erhaltenen Energiereserven des Orchesters der abendlichen Aufführung zugute kamen. Dass dieses Verhalten von dem "Kna" zudem seine Beliebtheit bei den Orchestermitgliedern nicht unbedingt schmälerte, versteht sich fast von selbst.

Wie gut dieses Vorgehen in der Regel funktionierte, soll die folgende kleine Geschichte belegen:

Im November 1955 stand die glanzvolle Wiedereröffnung der Wiener Staatsoper nach dem Krieg bevor, und Knappertsbusch hatte von den sieben Neuinszenierungen, die aus diesem Anlass gezeigt wurden, den Rosenkavalier zu dirigieren. Schon die erste Orchesterprobe soll er mit den Worten abgebrochen haben:
     "Meine Herren, Sie kennen den Rosenkavalier, ich kenne den Rosenkavalier - wir sehen uns bei der Bühnenprobe."

Der Erfolg gab dem "Kna" recht: Über die Premieren-Aufführung schreibt z. B. der österreichische Musikkritiker Heinrich Kralik am 18. 11. 1955 in der Zeitung "Die Presse": "Man hört eine schwungvolle, impulsive Darstellung. Mit genießerischer Kennerfreude werden zumal die klanglichen Schönheiten und Feinheiten vor dem Hörer ausgebreitet." Die gelungene musikalische Darbietung wurde für die Nachwelt mitgeschnitten, sodass man sich auch heute noch von deren hohen Qualität überzeugen kann.

(aus dem Booklet zu: "Wiener Opernfest 1955, Highlights" von Orfeo)


Der Fliegergeneral

Hans Hotter*, der renommierte Wagnersänger, erinnert sich an ein Ereignis mit Kna an der Wiener Staatsoper während der Kriegszeit:

"Meine liebste Kna-Geschichte handelt von einem Vorsingen in der Wiener Staatsoper während des Krieges. Ich habe sie selbst miterlebt, als ich für einige Vorstellungen nach Wien gekommen und eines Vormittags ein Vorsingen auf der Bühne angesetzt worden war. Teils aus Neugierde, teils aus Langeweile begab ich mich zur festgesetzten Stunde in den Zuschauerraum, wo sich bereits alle sogenannten Vorstände des Hauses versammelt hatten: Direktoren, Vizedirektoren, alle Kapellmeister einschließlich Knappertsbusch, Korrepetitoren, Regisseure mit ihren Assistenten, Direktionssekretäre und Sekretärinnen, eine Reihe von Solisten, Chorherrschaften und viel Leute von außerhalb. Auf der völlig leeren, riesengroßen Bühne stand vorne rechts ein Klavier, kein Flügel, ein Klavier, bei den Proportionen der Bühne winzig wirkend, an dem, mit dem Rücken zu uns ein Korrepetitor namens Meid saß, ein schmächtiger, unscheinbar wirkender kleiner Mann, aber ein ausgezeichneter Musiker und Pianist, der die Vorsingenden begleiten sollte. Auch er wirkte auf der Riesenbühne noch kleiner, als er ohnehin war. Der Ablauf der Vorsingprozedur lag in den Händen des Operndirektors Dr. Kerber.

Zuerst kamen drei Sänger mit unattraktiven Durchschnittsstimmen, die mit dem Bescheid "Sie werden benachrichtigt" entlassen wurden. Dann kündigte Dr. Kerber an: "Der nächste Kandidat ist ein Tenor, kommt aus Berlin und ist Beamter im dortigen Luftfahrtministerium. Er wird von seinem Chef Hermann Göring persönlich betreut, als besondere Begabung gefördert und wurde von diesem zur Beurteilung seiner Stimmmittel zu diesem Vorsingen nach Wien geschickt."

Das Staunen der Zuhörer wuchs, als ein kleiner, etwas dicklich untersetzter Herr die Bühne betrat. Er begann zu singen - es war schlimm, so schlimm, dass sich Kerber zu Kna wendete und meinte: "Ich glaube, das erübrigt sich, wir haben genug gehört."

Aber Kna sagte mit der ernsthaftester Miene der Welt zum Erstaunen der Zuhörenden: "Wieso? Der Herr ist eigens aus Berlin gekommen, von Herrn Göring empfohlen. Jetzt soll er auch mal ordentlich singen." Der kleine Dicke fuhr fort zu singen - es wurde immer ärger. Bei der dritten Arie lief sein Gesicht rot an, und die Stimme klang gequält. Er raffte sich zu fünf Titeln auf, die Stimmung im Zuschauerraum wechselte zwischen Entsetzen und Erheiterung.

Der Sänger verließ erschöpft und deprimiert den Schauplatz der Handlung. Für eine Weile herrschte absolute Stille. Auf der Bühne stand nur noch das Klavier, und davor saß der kleine Meid, der anscheinend noch auf weitere Vorsänger wartete. Da durchbrach Knas Stimme unbarmherzig das Schweigen: "Na, da wollen wir mal im Gegenzug Herrn Meid nach Berlin schicken und ihn Herrn Göring als Fliegergeneral vorschlagen." Die "Empfehlung" löste schallendes Gelächter aus - und es brauchte Mut, in der damaligen Zeit eine solch offene Verhöhnung zu wagen!"

( aus: Hans Hotter: "Der Mai war mir gewogen....". Erinnerungen, Kindler Verlag, München 1996 )


Die Geschichte mit der Feder

Wenn Knappertsbusch in Bayreuth auftrat, ging er zum Essen gerne in den Bayerischen Hof. Dort passierte die stadtbekannte Geschichte mit der Feder. Hans Seuss, der Inhaber des Bayerischen Hofs erzählt, was sein Vater erlebte:

"Es war die Zeit, da trugen die Damen gerne große Federn auf ihren Hüten und so eine Dame saß mit Hut im Lokal. Und es störte Herrn Professor Knappertsbusch. Sonst saß er ja eigentlich immer mit dem Rücken zum Publikum, aber er sah diese Feder und es störte ihm wahnsinnig. Da hat er meinem Vater gesagt: Entweder es verschwindet diese Feder vom Hut der Dame oder aber er muss das Lokal verlassen. Dann ist also mein Vater hingegangen, mit einer Schere bewaffnet und hat der Dame gesagt: »Der Herr Professor Knappertsbusch wünscht, dass ich Ihnen die Feder abschneide!«  Und - Gott, das hätte ja völlig schief gehen können! Er stand nun vor der Alternative: Entweder Herr Professor Knappertsbusch geht oder aber die Dame verlässt verärgert unter großem Protest das Lokal.

Die Dame hörte das, war überglücklich, dass der Herr Professor Knappertsbusch ausgerechnet wünscht, dass ihre Feder abgeschnitten wird und hat gesagt: »Die kommt bei mir in die Vitrine, das ist eine ewige Erinnerung daran, dass eben der Wunsch von diesem großen Dirigenten ausging.«

Es gelang, die Feder wurde abgeschnitten, Herr Professor Knappertsbusch hat sich beruhigt und der Abend war gerettet."

(Aus einem Fernsehinterview 1975.)

Anmerkungen: a) Recherchen ergaben: Die Geschichte muss sich 1951 oder 1952 abgespielt haben.
b) Die gleiche Geschichte, stilistisch aufpoliert, liest sich in dem Buch "Bayreuther G'schichtla" wie folgt: Link



"Wissen Sie noch: Fis!!"

Berühmt war der Kna auch wegen seines guten Gedächtnisses. Walter Theurer, Soloflötist des Bayerischen Staatsorchesters, schildert folgende Begebenheit:

"...Sein Gedächtnis war ja phänomenal. Die längsten Wagner-Opern: Er schaute nie in die Partitur - obwohl er sie aufliegen hatte. Zwischendrin nahm er mal eine Handvoll Seiten, schlug sie rüber, ohne hinzuschauen, was er aufgeschlagen hatte, und dirigierte weiter. Es war erstaunlich!"

Dann weiter: "Eine meiner letzten Begegnungen mit Kna war in der Leopoldstrasse. Ich ging Richtung Siegestor, er kam mir entgegen, und so fünf Meter vor mir blieb er stehen. Ich ging weiter, er setzte mir seinen Schirm auf die Brust und sagte: »Na, T(h)eurer! Sie waren doch noch ein Kind, als ich Sie engagiert habe. Sie trugen doch noch kurze Hosen!« Und dann: »Wissen Sie noch: Fis!!«. - Ich wusste es schon: Vor einigen Jahrzehnten hatte ich mich mal geirrt, hab' statt f fis geblasen. Das wusste er noch. Dann zwinkerte er mir zu und ging weiter."

(Aus einem Fernsehinterview 1988)


Die fehlende Disziplin

Otto Strasser*, Vorstand der Wiener Philharmoniker von 1958 bis 1967, erzählt:

"So unkompliziert »Kna«, wie wir ihn nannten, zu sein schien und wie wenig er auf seine doch immer vorhandene Autorität pochte, so konnte er auf Verstöße gegen die Disziplin doch sehr empfindlich reagieren. Einmal, während einer Siegfried-Aufführung hatte vor Beginn des zweiten Akts eine Gruppe von Blechbläsern das Zeichen für das Pausenende überhört. Knappertsbusch kam ans Pult gestürzt, begann, ohne sich umzusehen, zu dirigieren, die Pauke setzte mit ihrem Pianissimo-Tremolo ein; und als er der solistischen Tuba den Einsatz gab, musste er feststellen, dass der Tubist fehlte. Dazu noch der erste Trompeter und Andere. Er war gezwungen abzuklopfen, zu warten, bis die Sünder erschienen, und konnte erst dann von Neuem beginnen. Nach diesem Vorfall war er buchstäblich ein volles Jahr auf uns böse und keiner Annäherung zugänglich."

(Aus: Otto Strasser: "Und dafür wird man noch bezahlt", Paul Neff-Verlag 1974, S. 138)


"Nö, jetzt ist es schon probiert."

Ein Paradebeispiel der bündigen Art des mitunter auch gefürchteten Orchestererziehers ereignete sich anlässlich eine Orchesterprobe zu einem Programm, das mit Webers "Euryanthe"-Ouvertüre eröffnet werden sollte.
Otto Nielen, ehemaliger Tonmeister beim WDR erzählt: 

"Alles begann damit, dass Knappertsbusch an diesem Tag Geburtstag hatte und mein damaliger Chef ihm einen großen Blumenstrauß überreichte. Knappertsbusch knurrte ein kurzes »Danke«, knallte die Blumen auf die Ablage unter dem Dirigentenpult und gab dem Orchester den Einsatz.. Dann kam die Ouvertüre in einem entsetzlich langsamen Tempo von Anfang bis Schluss. Als alles vorbei war, drehte er sich zu uns um und meinte: »Scheißstück!«. Mein Chef sprang ganz schockiert auf und sagte: »Aber Sie haben dem Programm doch zugestimmt!« »Trotzdem Scheißstück!« insistierte Knappertsbusch. Als mein Chef ihm dann anbot, ein anderes Werk zu spielen, konterte er: »Nö, jetzt ist es schon probiert!«"

(zitiert aus Fono Forum 07/07)


"Das nächste Mal, wenn ich Sie wieder nicht erkenne, treten Sie mir in den Arsch."

Hin und wieder fand sein Grobheit auch selbstreferenzielle Anwendung. Dazu schildert der bekannte Bass-Bariton
Hans Hotter* ein Erlebnis:

"... Das nächste Mal begegnete ich ihm (Knappertsbusch) [...] auf dem so genannten »Direktionsgang«, dem hochheiligen Korridor, auf den Türen sämtlicher Direktoren, Direktorensekräterinnen- und Direktionsangestelltenzimmer der Wiener Staatsoper münden. Er schoss auf mich zu und brummte: »Neulich haben Sie mich gegrüßt und ich hab Sie leider nicht gleich erkannt. Das nächste Mal, wenn ich Sie wieder nicht erkenne, treten Sie mir in den Arsch. Großartiger Jochanaan übrigens, neulich«, und schon war er wieder weg."

(zitiert aus Hans Hotter: »Der Mai war mir gewogen...«)


Auch der deutsche Tenor der fünfziger und sechziger Jahre, Fritz Wunderlich*, hatte zwei Begegnungen mit Kna. Folgendes trug sich bei der ersten Begegnung 1960 zu:

  ...Die Aufführung hatte schon begonnen, als Wunderlich ins Theater kam. Schnell ging er in seine Garderobe, sang sich kurz ein, ließ sich vom Maskenbildner in einen italienischen Tenor verwandeln und kam dann - mit der gesamten »Antichambre« - wie es die Marschallin anordnet - auf die Bühne. Der Haushofmeister führte ihn samt dem ihn begleitenden Flötisten sofort nach vorne an die Bühnenrampe.
    "Wie er da unten im Orchestergraben Knappertsbusch dirigieren sah", erzählte Eva Wunderlich, "erstarrte er in Ehrfurcht. Kurz vor dem Einsatz zu seiner Arie, an einer intrikaten Stelle, kiekste einer der Hornisten. Kna, unbeirrt weiterdirigierend, schaute zu ihm hinüber und reagierte mit nur einem Wort: »Arschloch!«. Drei Reihen ins Parkett hinein  hörte man das mindestens und selbstverständlich auch auf der Bühne. Dann sang Fritz seine Arie. Und wie er damit fertig war, salutierte ihm Kna, wiederum mit der Rechten
unbeirrt weiterdirigierend, mit der Linken auf die Bühne hinauf. Eines der ganz seltenen Zeichen seiner Zufriedenheit."
    Nach Aktschluss ging Knappertsbusch noch kurz in Wunderlichs Garderobe, um sich bei dem Neuling persönlich zu bedanken. Brennend gern hätte Wunderlich diesen leicht verschrobenen, irgendwie geheimnisvollen und doch so gütigen Menschen näher kennengelernt...
 

(Nach einem Interview, dass der Buchautor Werner Pfister mit Eva Wunderlich, der Witwe Fritz Wunderlichs, führte. Aus Werner Pfister: "Fritz Wunderlich", Schweizer Verlagshaus, Zürich )


Das ornithologische Problem

Eine der berühmtesten Begebenheiten war der Kampf um die Taube, die der Kna mit Wieland Wagner führte. Der sehr gegenständlich denkende Knappertsbusch konnten den abstrakten Lichtgebilden, durch welche Wieland die Taube ersetzt hatte, nichts abgewinnen. Um ihn zu einer Rückkehr nach Bayreuth nach seinem Fernbleiben 1953 wiederzugewinnen, sah sich Wieland zum Einlenken genötigt, ein Einlenken, das jedoch mit einer gewissen listigen Raffinesse einherging. Wolfgang Wagner* erinnert sich:

"Daß Hans Knappertsbusch ungeachtet seiner anfangs harten und rigoros ablehnenden Äußerungen gegen Wieland, mit Ausnahme des Jahres 1953, dann doch jedes Jahr wieder nach Bayreuth kam, beruhte letztlich auf seiner großen Verehrung für das Wagnersche Gesamtkunstwerk.[...] Seine Wiedergewinnung als »Parsifal«-Dirigent für Bayreuth war für uns nicht ganz leicht. Es forderte als das mindeste an Entgegenkommen unsererseits, daß Wieland am Schluss des Werkes die von Richard Wagner vorgesehen Taube zeigen müsse, die über den Gral herabschwebt. Mein Bruder war zunächst sehr unschlüssig, ob er diesem Ansinnen, das ihm sehr gegen den Strich ging, nachkommen oder auf Knappertsbusch verzichten sollte. Schließlich verfielen wir nach reiflichem Abwägen auf eine »raffinierte« Lösung des ornithologischen Problems. Die Taube wurde aus dem Schnürboden so weit heruntergelassen, dass Knappertsbusch sie zwar vom Pult aus gerade noch sehen konnte, sie für das Publikum im Zuschauerraum aber unsichtbar blieb. Nun, die Taube schwebte - der Glaube lebte...

Nach der Aufführung feierte Knappertsbusch mit seiner Frau und einigen Freunden das Ereignis seiner Wiederkehr nach Bayreuth. Dabei stellte er mit versöhnter Befriedigung fest: »Endlich hat der Wieland wieder die Taube gezeigt«. Seine Frau, die bei seinen Dirigaten immer in der ersten Reihe saß, stutzte und erwiderte dann: »Hans, ich habe keine Taube gesehen«. Prompt kam die knurrige Antwort: »Ihr blöden Weiber seht ja sowieso nichts!« Doch ein wenig irritiert und argwöhnisch musste der Meister doch geworden sein, denn er holte sich nähere Informationen ein, die ihm die Täuschung, der er erlegen war, bestätigten. Und so wurde die schon geflügelte Wendung »Wieland, der Halunke« erneut zum festen Begriff in seiner Umgangssprache."

(aus Wolfgang Wagner: Lebensakte, Albrecht Knaus Verlag)

Dem Vernehmen nach hatte die Geschichte noch eine Fortsetzung: Einige Tage später erschien Knappertsbusch im Arbeitszimmer Wielands und warf ihm wortlos ein Stück Bindfaden auf den Schreibtisch ...



Bis er Knappertsbusch erlebte

Über den bekannten Bildhauer Hans Wimmer (1907 - 1992) ist in einer Gedenkschrift zu lesen:

Er [...] schwankte lange, ob er sich der Bildhauerei oder der Musik zuwenden solle. Er wollte Dirigent werden. Bis er Knappertsbusch erlebte und erkannte, daß sein Weg der des Bildhauers sei.

(aus:  Orden Pour Le Merite für Wissenschaften und Künste, Reden und Gedenkworte, vierundzwanzigster Band 1993-1994, Verlag Lambert Schneider • Gerlingen, S. 18 )


Fortsetzung folgt...