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Hans Knappertsbusch in gesellschaftlicher und politischer
Hinsicht: Versuch einer Einordnung
Hier soll das Bild Knappertsbuschs so gezeichnet werden - auch in
Abgrenzung zu anderen Autoren - , wie es dem Erkenntnisstand des
Autors dieser Web-Seite entspricht.
Stand: 15.3.2012
1 Grundsätzliche Positionierung
Knappertsbusch wurde bereits zu seinen Lebzeiten, hauptsächlich
in der Zeit nach dem zweiten Weltkrieg als Relikt aus dem
vorletzten, also dem 19. Jahrhundert gesehen - auch von Autoren, die
ihm gewogen waren. Dieser Umstand der Unzeitgemäßheit
wurde nicht abwertend interpretiert, sondern eher als
Eigenwilligkeit, durch die Knappertsbusch aus der Masse der
Dirigenten herausstach und die ihm sein eigenes Gepräge
verlieh: So schrieb der bekannte Musikkritiker Karl Schumann 1965 in
seinem Nachruf auf Knappertsbusch im Fonoforum: "Hans
Knappertsbusch [...] ragte wie ein Recke in unser, ihm fremdes
Jahrhundert ..." . Manche bezeichneten ihn auch als den "letzten
Romantiker", (allerdings war er nicht der einzige Musiker, der diese
Bezeichnung erfuhr). Er war in jedem Fall eine anachronistische Erscheinung.
Konsequent ging er seinen Weg, für die Modeerscheinungen der
Zeitläufte hatte er kein Verständnis und nahm, soweit
möglich, auch keine Rücksicht darauf. Dies brachte ihm
teils Bewunderung, aber auch Anfeindungen ein. Damit war
Knappertsbusch ein Mensch, den man ohne zu zögern, als konservativ bezeichnen kann.
Über seine politische Einstellung ist von ihm persönlich
kaum etwas bekannt. Er war zu keiner Zeit kein Mitglied irgendeiner
Partei, also insbesondere auch nicht der NSDAP im Dritten Reich. Aus
einem Interview mit seiner Witwe Marion 1972 geht hervor, dass er
gerne Bücher über Geschichte las und ein Verehrer Bismarcks war. Auf dem
Schrank seines Arbeitszimmers stand ein Portrait Bismarcks.
Eine persönliche Stellungnahme Knappertsbuschs, die die Tendenz
seiner Haltung erkennen lässt, ist eine Mitteilung vom November
1935 an das Kultusministerium: "Am 1. September 1922 trat ich meinen
Dienst als Bayerischer Staatsoperndirektor [ . . . ] an. Von Anfang
an habe ich die Marxisten als Gegner gehabt. Ich habe mich zu keinem
Zeitpunkt um deren Gunst beworben, obwohl mir ihr Einfluß
nicht unbekannt war. Ich bin auch stets indifferent der Bayer.
Volkspartei gegenüber geblieben. [...] Keiner Partei zugehörig,
bewegte ich mich ausschließlich in nationalen Gesellschaftskreisen." [Eingabe an das
Kultusministerium vom November 1935, BayHStA MK 41010] Diese
Ausführungen lassen auf eine nationale Gesinnung
Knappertsbuschs schließen, gleichzeitig auch sein Verlangen,
Unabhängigkeit zu bewahren. Eine nationale, konservative
Gesinnung aber beinhaltet noch lange
nicht die
nationalsozialistische Weltanschauung, eine
Schlussfolgerung, die von manchen Autoren bedenkenlos, wie auch
kurzsichtig und vorurteilsvoll gezogen wird.
Zumindest über seinem zwei Jahre älteren Bruder Gustav
weiß man konkret, dass dieser mit demokratischen Strukturen
nicht viel anzufangen wusste. Anlässlich einer Ordensverleihung
bekannte Gustav Knappertsbusch 1956: "Ich bin weder Demokrat noch
Republikaner und kann deshalb auch nicht hinter dem Staat stehen,
der mir diese Ehrung zuteil werden läßt" Die
"ästhetische Form" des Ordens hätte ihn aber doch bewogen
diesen anzunehmen. Als er den Wuppertaler
Landgerichtspräsidenten, der den Orden überbracht hatte,
vor der Haustür verabschiedete und an dessen Wagen das
polizeiliche Kennzeichen "W-I" entdeckte, fiel die Bemerkung: "Was
haben Sie da für eine wundervolle Nummer, wie unser Kaiser
Wilhelm!". [DER SPIEGEL 36/1956, S. 48] Damit ist eigentlich alles
gesagt. Nun kann man aus der politischen Einstellung von Gustav
nicht zwingend auf die seines Bruders Hans schließen, aber aus
dem was man über Hans Knappertsbusch bekannt ist, spricht
einiges dafür, dass seine Einstellung in den Grundzügen
ähnlicher Natur war. In Knappertsbuschs Aufruf zum "Protest"
von 1933 wird Bezug auf die Monarchie genommen: "Bayern und
München sind stolz auf den positiven Teil ihrer Beziehungen zu
Richard Wagner, den sie König Ludwig II. verdanken" [Bestand
Staatstheater 2014 (Thomas Mann) des BayHStA]. Ein Hinweis, dass
auch in Hans Knappertsbuschs Denken König- und Kaiserhaus
eine gewisse Rolle spielte.
Knappertsbusch wurde 1888 geboren, dem Jahr der Inthronisation
Wilhelms II. von Preußen als deutschen Kaiser. Er wuchs auf in
einer großbürgerlichen Familie eines Industriellen in
Elberfeld. Es war keine Seltenheit, dass die Gesellschaftskreise der
wohlhabender Bürger ein besonders inniges Verhältnis zum
Kaiserhaus hatten und eine nationale, patriotische Stimmung in ihren
Familien gepflegt wurde. Knappertsbuschs Verehrung für Bismarck
dürfte aus dieser Zeit stammen. Als der Hohenzollernkaiser 1918
abdankte, war Knappertsbusch also bereits 30 Jahre alt. Das ist ein
Zeitpunkt, zu dem die politische Prägung eines Menschen in der
Regel als abgeschlossen angenommen werden kann. Und
Neuorientierungen zählten bekanntlich nicht unbedingt zu den
Stärken des Kapellmeisters. Daher kann man auch annehmen, dass
seine Haltung zur deutschen Nation und zum Deutschtum und seine
patriotische Denkweise in dieser Zeit entstanden und später
kaum eine Revision erfahren haben.
2 Der Fall "Thomas Mann" und Knappertsbuschs Position bis 1936
Mit dieser Haltung geriet Knappertsbusch nach der 15-jährigen
Phase der Weimarer Republik in die Fänge des sogenannten
"Dritte Reiches". Zu diesem Zeitpunkt, 1933, war
Knappertsbusch bereits seit 11 Jahren Münchner Operndirektor in
gefestigter Stellung und beliebt bei dem Großteil des
Publikums. Trotzdem begann sein "Einstand" mit einem
Paukenschlag. Denn gerade in die ersten Tagen nach der sogennanten
"Machtergreifung" der Nationalsozialisten fiel der 50. Todestag
Richard Wagners am 13. Februar 1933. Der zu dieser Zeit bereits sehr
berühmte und gefeierte Literatur-Nobelpreisträger Thomas Mann wurde gebeten, einen
Festvortrag zum Gedenken des verstorbenen Meisters zu halten. Er kam
diesem Ansinnen nach und hielt den Festvortrag mit dem Titel "Leiden und Größe Richard
Wagners" an verschiedenen Stätten im In- und Ausland,
am 10. Februar 1933 auch im Auditorium Maximum der
Ludwig-Maximilians-Universität in München. Der Vortrag war
jedoch nicht nur dem Lob des Meisters gewidmet, Mann schlug auch
kritische Töne an, bezeichnete Wagner u.a. als "dilettantisches
Genie". Da Knappertsbusch ein vorbehaltloser Verehrer der Kunst
Richard Wagners war, sah er sich genötigt, energischen Protest
einzulegen und verfasste den berüchtigten "Protest der Richard-Wagner-Stadt
München", in dem die Kritik Manns in ziemlich scharfen
Worten zurückgewiesen wurde. Er versandte die Protestnote an
prominente Persönlichkeiten in München und sie wurde von
etwa 40 namhaften Kulturträgern der Stadt München,
darunter Richard Strauss und Hans Pfitzner unterzeichnet und im
April 1933 in den "Münchner Neuesten Nachrichten"
veröffentlicht. Der Protest lieferte nun den
Nationalsozialisten die benötigte politische Munition, um gegen
den aus ihrer Sicht verhassten Schriftsteller vorzugehen. Mann zog
nach kurzer Sondierung die Konsequenzen und ging, wie von ihm schon
früher erwogen, in die Emigration.
Trotz der für die Nazis so willkommenen Vorlage hatte
Knappertsbusch im Dritten Reich bald den Ruf eines Hitler-Gegners,
jedenfalls war er jemand, der aus seiner Verachtung dem Regime
gegenüber keinen Hehl machte. Zunehmend geriet er mit den
Machthabern in Konflikt, der Anfang 1936 in der Absetzung
Knappertsbusch als Operndirektor und dessen Pensionierung seinen
Höhepunkt fand.
Wie Knappertsbusch in den ersten zwei Jahren der Nazi-Diktatur
gesehen wurde, verdeutlicht ein Artikel aus dem "Neuen Vorwärts" vom
16.12.1934. Das Blatt "Neuer Vorwärts" war während der
Nazidiktatur das Sprachrohr des ins Prager Exil geflüchtete
Parteivorstand der Sozialdemokraten ab 1933, welches
wöchentlich erschien. [Link zum Artikel] Wie der
Artikel zeigt, entwickelte sich Knappertsbusch zunächst zum
Liebling der Nazis. "Arische" Körpermerkmale, blendendes
Aussehen, nationale Gesinnung, gelegentlich ein derber Spruch auf
den Lippen, damit war er für die Nationalsozialisten
natürlich der Wunschkandidat schlechthin. Sein eigenwilliges
Wesen, seine Weigerung, sich dem nationalsozialistischen Gehabe der
Nazis unterzuordnen, und schließlich auch sein Eintreten für Bruno Walter,
einem waschechten Juden, machten den ursprünglichen
Wunschkandidaten jedoch zum efant terrible. Der Artikel gewinnt
dadurch an Gewicht, da man annehmen kann, dass der Autor des
Artikels im "Neuen Vorwärts" à priori keinen Grund
hatte, speziell für den national-konservativen Knappertsbusch,
der somit nicht gerade einer der ihren war, einzutreten, es aber
dennoch tat. Da das Blatt im Exil erschien, war es keiner Zensur
unterlegen, brauchte also auf die politische Strömung in
Deutschland keine Rücksicht zu nehmen. Somit kann man davon
ausgehen, dass das Blatt ungeschminkt das veröffentlichte, was
es in Erfahrung bringen konnte. Dass Ritter von Epp, der damals
ranghöchste Nationalsozialist in Bayern, von Knappertsbuschs
Widerspenstigkeit, ganz abgesehen vom Götzzitat,. nicht
begeistert war, ist anzunehmen. Und es war auch jener Ritter Epp,
der Knappertsbusch dann 1936 in den Ruhestand versetzte.
Auffällig auch, dass der Vorfall um Bruno Walter im März
1933 stattfand, also wenige Wochen nach der sogenannten
"Machtergreifung" am 30. Januar 1933 und bereits nach dem
Wagnervortrag Thomas Manns. Man kann also schlussfolgern, dass
Knappertsbusch zu Beginn des Dritten Reiches (und auch später)
keine ernsthaften Karrierepläne hatte, die es erzwingen
würden, sich bei den Nazis anzubiedern, wie von mancherseits
unterstellt wird.
3. Knappertsbuschs Position bis von 1936-1938
<noch ausstehend>
4. Knappertsbuschs Position bis von 1938-1945
<noch ausstehend>